Im ersten Teil dieses Interviews mit Christian Herzog ging es eher um das Thema COVID19 an sich, hier im 2. Teil beleuchten wir das Thema der Gründung.
Christian, Du warst viele Jahre in führenden Positionen bei großen IT Unternehmen tätig. Was hat Dich dazu gebracht, Deine eigene Firma zu gründen?
Es waren mehrere Gründe, die zusammenkamen, sodass aus einer Idee die Deutsche Maskenfabrik auf den Weg gebracht worden ist:
- Auslöser war sicher, dass wir privat mitten im 1. Lockdown selbst vor dem Problem standen, Masken und Desinfektionsmittel zu bekommen und das nur noch zu horrenden Preisen und langen Lieferzeiten verfügbar war. Wir haben dann kurz überlegt, ob wir selbst was über einen Kontakt in Asien importieren sollen. Wir haben dann aber überlegt, ob und wie wir selbst Masken in Deutschland produzieren können, auch um die selbst durchlebten Lieferabhängigkeiten zu verringern. So war dann die Idee geboren.
- Wir haben es dann durchgerechnet und versucht von allen Seiten zu betrachten, soweit das in so einem unplanbaren und volatilen Marktumfeld möglich ist. Wir haben durchaus eine große und auch nachhaltige Chance darin gesehen, wenn wir uns richtig positionieren.
- Ein bisschen Schub hat uns auch gegeben, dass es etwas „Sinnvolles“ war und wir durchaus auch einen Sinn darin sehen, etwas zu tun, das für die Gesellschaft wichtig und gut ist.
- Und letztlich war es zumindest bei mir so, dass die Zeit einfach reif war, etwas Neues zu machen. Du hast das sicher auch schon erlebt … ich war nicht unzufrieden mit meinem bisherigen Job und es hat auch meist Spaß gemacht. Aber es hat so ein bisschen die Erfüllung gefehlt. Für mich muss das, was ich tue einen Sinn ergeben, und zwar einen nachhaltigen. Wenn Du schon viel Zeit deines Lebens und Herzblut in eine Arbeit investiert, dann sollte es auch etwas sein, an das Du glaubst und für das Du einstehst. Etwas für das Du brennst und Leidenschaft entwickeln kannst. Und ich glaube, das war schon mit ein Hauptauslöser. Auf der einen Seite etwas zu sehen, was Sinn ergibt und wofür ich mich begeistern kann und auf der anderen Seite etwas zu haben, wo, wenn man ehrlich ist, ein bisschen die Luft raus war.
Ihr habt mit eurer Gründung auf die Pandemie reagiert und sehr schnell gehandelt – wie viel Planung und wie viel Risiko war dabei in euren Gedankenspielen?
Ja, das ging schon recht schnell. Die Entscheidung, dass wir gründen wollen, haben wir Anfang April 2020 getroffen. Dann haben wir etwa 2 Monate zum Planen gehabt, um Themen wie Finanzierung, Standort, Anlage, Material, unser eigenen Zeitaufwand, Zertifizierung, usw. zu klären. Anfang Juni saßen wir dann beim Notar und haben die Gesellschaft gegründet und im September haben wir dann schon mit der Produktion losgelegt. Wir haben also in weniger als 6 Monaten einen Medizinproduktehersteller aus dem Boden gestampft, 120 Seiten technische Dokumentation sowie ein QM-System auf die Beine gestellt, einen Partner gefunden, der uns zuverlässig gutes Vlies-Material liefern kann, sowie eine Fertigung aufgebaut.
Bei einem solchen Fahrplan ist glaube ich klar – und Zeit war hier wirklich entscheidend – dass man sich nicht jeden Tag mit den Risiken beschäftigen kann. Wir haben uns zu Beginn überlegt, was schief gehen kann und den max. Finanzrahmen festgelegt, den wir bereit sind zu investieren. Und wir haben uns eine Timeline gesetzt, zu der wir bestimmte Dinge erreicht haben wollen bzw. wo wir uns nochmal die Karten legen wollen.
Unser Plan ist, dass wir in der ersten Phase möglichst ohne Fremdkapital auskommen und dass sich das Unternehmen von Anfang an selbst trägt. Das heißt, wir investieren vorsichtig und aus dem Kapital, dass wir erwirtschaften. Einfach deshalb, weil der Markt in dem wir uns aktuell bewegen, sehr schwer planbar ist und stark durch die Pandemie und politische Entscheidungen getrieben ist. Das heißt, dass wir unseren Plan auch immer wieder anpassen und Entscheidungen, dann auch kurzfristig treffen. Wir hatten z.B. geplant spezielle kleinere Kindermasken herzustellen und haben das auch mit dem Hersteller der Fertigungsanlage vorgeplant, aber das Ganze erst mal verschoben, weil momentan dafür für uns kein Markt erreichbar ist.
Was waren die größten Hürden bei der Gründung?
Es gibt immer wieder Hürden … welche da die Größten sind, ist schwer zu sagen. Eine Hürde, mit der sicher viele Start-Ups zu kämpfen haben, ist der Bekanntheitsgrad. Wir haben zu Beginn erst mal viel auf lokales Marketing in der Region gesetzt und z.B. gleich zum Schulanfang eine Spendenaktion für Schulen organisiert. Und wir bekommen sehr tolle Rückmeldungen von nahezu allen unseren Kunden. Wer uns kennt und einmal unsere Masken gekauft hat, der bleibt auch bei uns und kauft auch wieder. D.h. unsere Strategie, ein hochwertiges Produkt zu haben, dem man vertrauen kann, geht auf. Aber auf ganz Deutschland bezogen, kennt man uns einfach noch zu wenig. Da fehlt uns noch die Reichweite und die Präsenz.
Ich glaube generell, passieren bei jedem Start-Up jeden Tag Dinge, die so nicht geplant waren. Gute und Schlechte. Und wichtig ist, da einfach weiter zu machen, die Probleme zu lösen, wenn sie kommen, die Chancen mit zu nehmen, wenn sie da sind, nicht aufzugeben, sondern einfach weiter zu machen und dabei das große Ziel, also den langfristigen Plan, nicht aus dem Auge zu verlieren.
Das Geschäft ist angelaufen und ihr habt bewiesen, dass der Plan grundsätzlich aufgeht. Ich denke aber, dass diese Geschichte hier noch nicht zu Ende ist. Ab welchem Punkt würde Wachstumskapital Sinn machen und wofür würdest Du es verwenden?
Ich denke, dass Wachstumskapital sehr bald für uns Sinn machen könnte. Spätestens wenn sich die Pandemiesituation zum Sommer hin wieder etwas normalisiert, wird sich auch der Markt wieder verändern und dann müssen wir in zwei Bereiche investieren.
Zuallererst in unseren Brand, unsere Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Wir brauchen unbedingt mehr Reichweite und Bekanntheit. Letztlich unterscheidet uns unser Produkt und dessen bessere Eigenschaften von den vielen, insbesondere asiatischen Wettbewerbern, die rein über den Preis verkaufen. Dafür ist es wichtig, dass man den Unterschied auch erklären kann und im Markt ein Bewusstsein für gute Qualität entsteht. Ich vergleiche das gerne mit dem Bio-Markt … nicht jedem sind Bio-Produkte im Lebensmittelbereich wichtig. Aber es gibt einen wachsenden Anteil der Bevölkerung, dem eine nachhaltige Landwirtschaft und eine artgerechte, biologische Tierhaltung wichtig sind und die chemie-freie Lebensmittel wertschätzen. Heute ist für Viele eine Maske einfach noch eine Maske. Und unsere Herausforderung ist, bei unseren potenziellen Kunden ein Bewusstsein und ein Verständnis dafür zu schaffen, dass es hier doch ganz wesentliche Unterschiede gibt und was für einen Vorteil sie davon haben.
Und darüber hinaus brauchen wir mehr Fertigungskapazität, die Kapital bindet, die uns aber auch ermöglicht unsere innovativen Ideen umzusetzen, die aktuell noch in der Schublade liegen. Sowohl in Richtung weitere Automatisierung der Fertigung als auch hinsichtlich spezieller Produktinnovationen.
Ein Gedanke zu „Interview: die Pandemie als Chance – meine eigene COVID19 Maskenfabrik, Teil 2“