Bei einem meiner größeren Produkt-Deals habe ich eine Verhandlungssituation erlebt, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Es war einmal …
… der Termin war kurz vor Weihnachten, es war nasskalt draußen, dementsprechend waren wir „sturmfest“ gekleidet. Man hat uns dann erstmal in einem sehr warmen Flur warten lassen. 10 Minuten, 20 Minuten, eine halbe Stunde. Dann kam irgendwann der Verhandlungsleiter des Kunden und meinte: „mein Chef kann nicht kommen und ich habe nur 15 Minuten Zeit“. Unsere zeitigen Anfragen bezüglich einer Prüfung der vertraglichen Konditionen hat man unter Verweis auf *den* Termin abgewiesen. Nur, um uns dann zu sagen: ihre AGB müssen auf 2 DINA4 Seiten passen, ansonsten schauen sich das unsere Juristen nicht an. Selbstverständlich war es da auch nicht erlaubt, einfach die Schriftgröße zu ändern, wie ein erster spontaner Gedanke nahegelegt hat. Eigentlich waren auch Preis und Nachlass schon vorverhandelt, aber da kam dann der finale Kniff der Einkäufer: man hat versucht, uns eine Karotte vor die Nase zu halten und gleich Konzern-Rabatte auszuhandeln, auch wenn nur ein Teil der Firma tatsächlich den ersten Schritt gehen wollte.
Unser Vertriebsverantwortlicher wollte eigentlich schon nach den ersten beiden Finten die Heimreise antreten und ich gestehe mir im Nachhinein ein, dass das vermutlich der bessere Weg gewesen wäre. Denn der Kauf sollte seitens der Fachabteilung noch im Kalenderjahr stattfinden, sodass hier ein gewisser Gegendruck aufgebaut hätte werden können.
Ich selbst empfinde die o.g. Tricks als unfair, da man dem Lieferanten nicht auf Augenhöhe begegnet. Das ist vllt auch einer der Gründe, warum ich selbst auf Vertriebsprofis gesetzt und versucht habe, diese aus dem Hintergrund zu coachen bzw. Verhandlungstaktiken zu entwickeln.
Und das führt zu den Erkenntnissen, die ich gewonnen habe:
- Der Eigentümer / Geschäftsführer sollte nicht (sofort) mit in die Verhandlung gehen, da sonst jede Eskalationsmöglichkeit fehlt.
- Weiterhin bietet es sich an, mit dem Kunden zusammen einen „Closing Plan“ zu erstellen, in dem gemeinsam alle relevanten Meilensteine bis zum Go-Live festgelegt werden. Dazu gehören dann auch die kaufmännischen und juristischen Verhandlungen, sowie eine realistische Zeitplanung.
- Wenn das alles nicht gegeben ist, kann ein klares NEIN unter dem Strich auch richtig sein. Man sollte nicht um jeden Preis verkaufen (wenn man es sich leisten kann – das ist hin und wieder auch leichter gesagt, als getan). Oft fängt die richtige Verhandlung erst nach einem Nein an.
Damit ist es natürlich nicht getan. Aus einem aktuellen Coaching habe ich einige weitere Themen gesammelt, die ich in den nächsten Wochen und Monate runter schreiben werde. Gutes Gelingen und nie Aufgeben!