Slowing Down: Ford Mustang ’66 Cabrio

Ich fahre gern Auto. Ich liebe es, mit tollen Autos zu fahren. Toll definiert sich dabei, das Fahren erleben zu können. Das kann ein Auto mit ordentlich Leistung sein, das kann aber auch ein Auto sein, bei dem man noch anpacken muss. Darum geht es heute. Ich habe schon mit einem ’92er 928 GTS gute Erfahrungen in der Hinsicht gemacht (in Zeiten von Strafzinzen auch als fahrbare Wertanlage interessant) und habe mich nun nach einem Klassiker umgetan, der mir Fahrspaß bringen und zur Entschleunigung des Lebens beitragen soll. Nach kurzer Überlegung kam ein Ford Mustang der 1. Generation auf die Shortlist. Als Begründer der Ponycar Szene 100% Kult und als Cabrio im Sommer sicherlich genial.

Ein Schrauber bin ich nicht. Und ich weiß, dass billig gekauft immer bedeutet, dass man das vermeintlich gesparte Geld später mit Zinsen und Aufschlag nachlegen muss (das gilt irgendwie bei vielen Situationen im Leben). Daher habe ich mich auf die Suche nach gut erhaltenen Oldies gemacht und wurde auf US Cars 24 Classics in Wuppertal aufmerksam, ein Unternehmen, dass auf Mustangs spezialisiert ist. Die Homepage ist nicht ganz modern, aber das macht nichts – es kommt auf den Inhalt an und der ist sehr gut. Denn die Firmenphilosophie kommt auf den Punkt: aus importierten, alten Wagen werden durch viel Fleiß, Wissen und handwerkliches Können echte Klassiker mit Bestnote geschaffen. Ich habe mir ein paar der verfügbaren Lagerfahrzeuge angesehen, die mir auf den Bildern gut gefallen haben und mit dem Geschäftsführer, Herrn Thiel, einen Vorort Termin vereinbart. Favorit war ein schwarzes 66er Cabrio mit roter Innenausstattung. Gesagt, getan und ab nach Wuppertal.

Herr Thiel und sein Team atmen Benzin. Nach einem netten Vorgespräch im Salon haben wir uns die Kandidaten angesehen. Und – ich habe sowas noch nie gesehen. Da steht ein 66er Mustang und sieht aus, wie frisch vom Band gelaufen. Herr Thiel hat mir alles persönlich mit viel Liebe zum Detail erklärt und dann noch angeboten, die Manufaktur selbst anzusehen. Dort sieht man, wieviel Schrott aus einer Karosserie rausgeschnitten und was dann in 100ten von Stunden wieder aufgebaut wird. In dem favorisierten Lagerfahrzeug steckten bereits 1.500 Stunden! Und dann wurde mir noch angeboten, etwas zu optimieren: bessere Kühlung, Edelstahlauspuffanlage, Edelbrock Vergaser, Unterbodenvollversiegelung. Klang alles sinnvoll, Handshake und Deal! Ich muss bei sowas dann nicht mehr lange nachdenken.

Am Kühlergrill klar zu erkennen als 66er mit GT Ausstattung.

Dann begann das Warten, denn das Lagerfahrzeug wurde noch weiter bearbeitet, final konserviert und wie bestellt umgebaut. Das Einstellen des Motors gehört hier auch dazu. In Summe sind da nochmal 300 Stunden reingeflossen. Herr Thiel hat mich zwischendurch immer mit Bild und Videomaterial auf dem Laufenden gehalten.

Die Zulassung erfolgte parallel, nicht so ganz einfach in Hessen, aber dank engem Dialog und mit dem Zulassungsdienst Kroschke (die haben tatsächlich einen Oldie-Spezialisten) schließlich auch erfolgreich abgeschlossen. Ein Classic Data Gutachten wurde ebenso erstellt – mit Bestnote bestanden. Allein das Gutachten zu lesen macht schon Spaß.

Und dann war es soweit: wir haben den Mustang mit großer Vorfreude abgeholt. Mit dem Zug nach Wuppertal, schönes Abendessen, und morgens zum Firmengelände. Der Taxifahrer hat schnell erfragt, warum wir da sind und hat sich offenen Herzens mit uns gefreut – ich glaube, er wäre am liebsten mitgekommen. Er kannte die US Cars Classic und das Team und hat sie als “internationale Spitzenklasse” beschrieben – das kann ich zu 100% bestätigen. Ich glaube, er wäre am liebsten mitgekommen.

Und dann kam der Moment – das erste mal den fertigen Mustang sehen, das erste mal den fertigen Mustang hören, das erste mal im fertigen Mustang sitzen. Wahnsinn. Wahnsinn. Wahnsinn. Auch das wurde auf Video festgehalten. Wir haben uns alles erklären lassen und ich bin mir vorgekommen wie im Kino! Alles kaum zu glauben, alles etwas unwirklich. Aber mit eigenen Augen zu sehen, den Händen zu spüren und den Ohren zu hören.

Die Edelstahlauspuffanlage sieht nicht nur gut aus …

Und dann kam die Überführungsfahrt – leider bei Regen. Die begann direkt mit einem Tankstop, bei dem wir die John Wayne Stellung lernten – ein Schwall Benzin kommt fast immer aus dem Tank geschwappt, wenn man nicht aufpasst. Mit vollen Tank ging es dann auf die Autobahn – 300 km nach Südhessen. Das war anstrengend aufgrund der Wetterlage und den ungewohnten Sitzen ohne Kopfstütze – ich hatte danach 2-3 Tage Muskelkater in den Schultern. Aber vor allem auch im Gesicht, da ich aus dem Grinsen nicht mehr rausgekommen bin. Die letzten 30 km konnten wir dank Sonnenschein an der Bergstraße offen gefahren – eine wahre Offenbarung und besser, als ich es mir je vorgestellt habe. Der Mustang ist Baujahr ’66 und nicht auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegt. Er ist niedrig übersetzt und schneller als 100 geht es nicht. Aber das muss es auch nicht. Man hört den Sound des 4,7 Liter (289 cubic inch) V8 Motors, man spürt den Fahrtwind, man spürt die Straße über des Lenkrad. Ein tolles Fahrerlebnis, bei dem man die Zeit vergisst und das Leben entschleunigt.

Der klassische 289 ci „Small“block wie aus dem Bilderbuch. Veredelt mit Edelbrock 4V Vergaseranlage und optimiertem Kühler. Rechts vorne ein lustiges Detail: in dem Beutel ist das Wischwasser drin.

Jetzt “wohnt” der 66er zusammen mit dem 928 in meiner Scheune und allein der Anblick macht aus jedem Tag einen besonderen Tag. Und das noch mehr, wenn ich den Motor starte, warm laufen lasse und ab auf die Piste gehe. Ich habe schnell Anschluss an weitere US Car Fans gefunden, sodass die ein oder andere Ausfahrt mit alten und neuen V8 hinter mir und vor mir liegt. Es wird Benzin gesprochen und … gefahren! 400 Meilen später kann ich nur sagen: der ’66er ist jeden Cent wert und: jederzeit wieder!

Back in Black. And red. Red is fine, too.

Um etwas über die Historie der Ponys von 1964 bis heute zu erfahren, bietet sich dieses Buch Ford Mustang – alle Modelle ab 1964 an – ich lese immer wieder darin. Wenn man die ersten Seiten geschafft hat, ist es auch gut zu lesen. Wer mehr über die Technik erfahren will, was über die ebenfalls lesenswerte Bedienungsanleitung hinaus geht, sollte einen Blick in das Ford Mustang Schrauberhandbuch werfen.